Ärzte beim Thema Lean Six Sigma mit einbeziehen. Wie machen Sie das?

Es versteht sich von selbst, dass das Pflege- und Gesundheitswesen einer der komplexesten Sektoren ist, wenn es um die Implementierung von Qualitätssicherungssystemen geht. Viele Lean Six Sigma Black Belts beteuern, alle Sektoren seien gleich. Dementsprechend scheitern sie danach im Pflege- und Gesundheitswesen. Die bisweilen verwirrende Rolle von Ärzten frustriert sie. Noch extremer: Schon bei der Erstellung eines einfachen Prozessdiagramms kann die Positionierung von Ärzten in ihrer richtigen Rolle für Kopfzerbrechen sorgen. Nur ganz wenige Prozessanpassungen können ohne die Beteiligung von Ärzten optimal umgesetzt werden. Deshalb ist die aktive Steuerung der Rolle von Ärzten eine der wichtigsten Aufgaben bei der Implementierung von Lean Six Sigma in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen. Ärzte bei Lean Six Sigma Projekten mit einbeziehen – wie gelingt das?

Arzte Lean Six Sigma

Gründe für den Widerstand von Ärzten gegen Lean Six Sigma

Obwohl Ärzte ein integraler Bestandteil von Prozessen in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sind, wird dies häufig durch die Ärzte selbst nicht erkannt. Manche Ärzte widersprechen sogar Aussagen, ihr Handeln habe Auswirkungen auf andere Prozesse wie z.B. die Pflege, Versorgung mit Medikamenten, die Verwaltung von Krankenakten oder die Buchhaltung. Andere wiederum sind darüber bewusst, dass Ihre Prozesse sich auf andere Prozesse der Gesundheitszentren auswirken, negieren diese Tatsache jedoch in der Praxis. Einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Ärzte oft Veränderung gegenüber unaufgeschlossen sind, liegt darin, dass diese Veränderung oft eine höhere Belastung für ihre eigenen Prozesse impliziert.

Es kostet mehr Zeit, verkompliziert die Arbeit, und den Patienten gegenüber wird weniger Service geleistet. Oft können die Führungskräfte von Gesundheitszentren nicht den kompletten für die Arbeit von Ärzten relevanten Prozess überblicken, bevor sie über mögliche Veränderungen nachdenken. In einem ersten Schritt können Führungskräfte Widerstand verhindern, indem sie schlicht und einfach “umfassende Erkenntnisse über die Prozesse von Ärzten erlangen”, so Deming. Und zwar in der Analyse-Phase (DMAIC), bevor die Optimierungsphase beginnt. Das unzureichende Engagement von Ärzten in der gesamten Krankenhausorganisation bei Bemühungen um die Erzielung einer Verbesserung kann verhältnismäßig wenigen Ursachen zugeschrieben werden. Hierunter sind die wichtigsten aufgeführt:

  • Fehlendes Interesse am angestrebten Ziel des Lean Six Sigma Projektes;
  • Unzureichendes Verständnis davon, was Systemdenken bedeutet oder was ein Prozessanalyse beinhaltet;
  • Das Vorurteil, dass zusätzliche Mittel und mehr Personal die beste Lösung sind und eine detaillierte Analyse Zeitverschwendung ist;
  • Ein nachteiliger Effekt der Veränderung zur Optimierung der Prozesse des Krankenhauses auf den Prozesses des Arztes;
  • Die Überzeugung, es sei eine Kompensation für die Aktivitäten, die sie zum Wohle des Krankenhauses verrichten, angebracht;
  • Die Einstellung, das primäre Augenmerk müsse auf einer Verbesserung von Prozessen liegen, die ihrem Handeln im Krankenhaus zuträglich sind, bevor das Krankenhaus von Kostenersparnissen profitiert;
  • Wenig Einigkeit unter den Ärzten bzgl. der Konzentration auf bestimmte Bereiche oder Lösungen dafür;
  • Fehlende Teamarbeit von Ärzten, selbst dann, wenn die spezifische Vorgehensweise in derselben medizinischen Disziplin gehandhabt wird.

Der Verbesserungsprozess

Wie können Führungskräfte im Gesundheitswesen für eine effektive Zusammenarbeit und Engagement von Ärzten bei Prozessverbesserungen sorgen? Am wirkungsvollsten ist es, Ärzte mit einzubeziehen, um:

  • Ein so vollständig wie mögliches Bild von den Wünschen der Ärzte zu bekommen und zu erfahren, welche Hilfestellung sie im Rahmen spezifischer zu verbessernder Prozesse benötigen.
  • Vertrauen aufzubauen. Das mag einfach klingen. Aber das Vertrauen zwischen Ärzten und der Verwaltung von Krankenhäusern hat in den vergangenen zehn Jahren stark abgenommen. Die Gründe hierfür können komplex oder auch recht einfach sein. In vielen Fällen hat das Management Team von Krankenhäusern bei dem Versuch, finanzielle Einbüßen zu begrenzen, entgegen den Interessen und Wünschen der Ärzteschaft gehandelt. Dadurch ist das Konstrukt zunehmend weniger von einer Zusammenarbeit geprägt als von Konflikten.

Weitere Empfehlungen:

  • Schulen Sie Ärzte in allen Aspekten des Gesundheitswesens wie Finanzen und Umweltrecht. Geben Sie ihnen Einblick in die Folgen des Wettbewerbsdrucks. Das soll die Basis für Zusammenarbeit und die gemeinsame Definition von Zielen für die Zukunft schaffen. Es ist etwas anderes als eine unter Zeitdruck abgehaltene Mitarbeiterversammlung, bei der nur die Hälfte der Ärzteschaft anwesend ist.
  • Suchen Sie nach Projekten, durch die alle Beteiligten gewinnen können. Sie sollten die Zufriedenheit der Ärzte steigern und zu einer Steigerung der Effizienz in den Prozessen an den Schnittstellen zwischen Arzt und Krankenhaus beitragen. Ein Beispiel eines langfristigen Ziels in der Chirurgie wäre z.B. eine Steigerung des Verhältnisses zwischen der Zahl an Stunden, in denen Patienten in der chirurgischen Abteilung verbleiben und der Gesamtzahl an Stunden, in denen sie versorgt werden. Durch eine Erhöhung dieses Verhältnisses werden die für die Behandlung zur Verfügung stehenden Stunden besser ausgenutzt. Dies kann man zum Beispiel durch das Handhaben einer strikteren Anfangszeit für Operationen erreichen. Oder durch die Verkürzung von Durchlaufzeiten sowie die Steigerung der Genauigkeit des Prozesses, in dem der Chirurg z.B. die Instrumente auswählt, die im OP benötigt werden.
  • Suchen Sie nach Menschen, die Einfluss auf Ihre Ärzte haben (z.B. Instanzen, die Überweisungen ausstellen, andere angesehene Ärzte), um anstelle der Krankenhausleitung oder des Managements Veränderungen zu stimulieren.
  • Erwägen Sie den Einsatz von Belohnungen. Aber bitte beachten Sie dabei: Belohnungen sind i.d.R. kurzfristig effektiv. Ihre Zuteilung führt zu einer gewissen Erwartungshaltung. Wenn diese dann enttäuscht wird, kann das zu Demotivation führen.

Begeben Sie sich auf die Suche nach Instanzen, die selbst keine Ärzte sind, um Veränderungsprozesse bei Ärzten auszulösen oder Ärzte zu beeinflussen, damit sie Veränderungen positiv gegenüberstehen. Weil zum Beispiel eine ambulante Behandlung am ersten Tag nach der Operation für Patienten, die sich einer Hüftoperation haben unterziehen müssen, ein statistisch wichtiges Motiv ist, können Physiotherapeuten Chirurgen am Tag der Operation anrufen, um physiotherapeutische Behandlungseinheiten zu planen.